Samstag, 1. Februar 2014

Rezension | Looking for Alaska/Eine wie Alaska



John Green, einer der großen Jugendbuchkünstler, hat mit seinem Debütroman «Looking for Alaska» ein bewegendes Jugendbuch geschrieben, das mich auf vielen Ebenen berührt hat. Den Autor «kenne» ich schon ein Weilchen länger; der YouTube-Channel, den er mit seinem Bruder Hank betreibt, hat mir schon einige schöne Momente bereitet.

Der sechzehnjährige Miles Halter, genannt «Pudge», hat ein unkonventionelles Hobby: Er merkt sich mit Vorliebe die letzten Worte bekannter Persönlichkeiten. Der französische Dichter François Rabelais zum Beispiel stellt sich den Tod und das Leben danach als ein «Great Perhaps» vor, ein Konzept, das den Jungen fasziniert. Miles ist kein «social butterfly» und hat nicht viele Freunde in Florida. So beschließen seine Familie und er, dass er seine letzten High-School-Jahre auf einem Internat namens Culver Creek in Alabama verbringen wird. Dort lernt der eher zurückhaltende Miles eine interessante Gruppe von Leuten kennen, mit denen er beginnt Freunschaften zu formen. Sein Mitbewohner Chip, der The Colonel genannt wird, macht Miles mit dem Mädchen Alaska Young bekannt, in das Miles sich prompt verliebt, doch sie hat einen festen Freund. Zudem beschreiben die Adjektive undurchschaubar, launisch, hübsch, witzig und intelligent Alaska gut; sie raucht und trinkt (was natürlich verboten ist)––aber sie fasziniert Miles und monopolisiert von nun an seinen Mikrokosmos. Miles, der immer ein sicheres und abgeschirmtes Leben fernab von Tumulten geführt hat, wird in die turbulente Welt von Culver Creek und Alaska Young geworfen––ein Great Perhaps?

I don't know where over there is, but I know it's somewhere ,and I hope it's beautiful.

Alaskas Verhalten Miles gegenüber ist ebenso arbiträr wie ihr Umgang mit ihrer restlichen Umwelt. Sieht sie ihn nur als guten Freund an oder bedeutet er ihr mehr? So ganz sicher kann sich der Leser nie sein. Durch ihre Wirkung auf Miles romantisiert dieser ihre autodestruktive Tendenz und nimmt die Gefahrenzeichen, dass es ihr nicht gutgeht, nicht ernst. Ihre vagen, erhabenen Phrasen imponieren ihm nur, da sie seines Empfindens nach ihre außerordentliche Intelligenz bezeugen. Das Great Perhaps, in das Alaska Miles durch ihre Freundschaft gezogen hat, wandelt sich binnen einer Sekunde zu einer großen Tragödie und das Leben der Jugendlichen wird nie wieder so unbeschwert sein wie zuvor. Es hätte alles perfekt sein können, doch nun hat Miles plötzlich Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit der Worte verstorbener Menschen und seinem eigenen Dasein auf dieser Erde.

If people were rain, I was drizzle and she was a hurricane.

John Green hat es in «Looking for Alaska» geschafft, dass mein Herz für zwei Schläge aussetzt, dann in tausend Splitter zerbricht und über die verbleibenden Seiten unter Höllenqualen versucht sich wieder zusammenzufügen. Ich glaube, das letzte Mal habe ich beim Lesen so gelitten, als Dumbledore gestorben ist. Mit dem Charakter Alaskas konnte ich mich nicht wirklich anfreunden, da ihre Persönlichkeit auf mich das Gegenteil von anziehend ist. Ich bevorzuge Sicherheit, und ihre Launenhaftigkeit, vielleicht schon Bipolarität, macht sie unzuverlässig. Aus diesem Grund kann ich Miles' Obsession mit ihr nicht auf persönlicher Ebene nachvollziehen; dennoch hat der Roman eine Saite in mir zum Klingen gebracht, deren Vibration ich noch heute spüre. Green widmet sich den wichtigen Fragen des Lebens, über die sich jeder Mensch Gedanken macht, aber über die doch keiner spricht und schon gar nicht mit jungen Erwachsenen.


«Looking for Alaska» ist ein Jugendbuch, typisch in dem Sinne, dass es eine «Coming of Age»-Story ist, und eher untypisch aus dem Blickwinkel heraus, dass Miles und seine Freunde mit realen Themen und Problemen aus der echten Welt konfrontiert werden und sich in keine Fantasiewelt flüchten können. Nein, sie müssen im Hier und Jetzt lernen mit ihren Gefühlen und ihrem Schmerz umzugehen.
Stilistisch atmet der Roman aus jeder Pore John Green. In der ersten Person geschrieben, schaut man durch Miles' Augen und erlebt das Geschehen hautnah mit. Er ist leicht verständlich verfasst und wartet, typisch Green, mit genuinen Verbindungen zum echten Leben auf. «Looking for Alaska» hat mich zutiefst berührt. Auch zehn Monate nach dem Lesen hat mich dieses Buch noch nicht losgelassen. Eindeutig 5/5 Sterne––mein Lieblingsbuch von John Green.


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